„Wir gehen in den konkreten Schmerz rein!“
Die Kommunikationserwartung der Kunden verstehen und richtig nutzen; ein Interview mit Marc Hirtz, Geschäftsführer von Pitney Bowes
Pitney Bowes ist weltweit bekannt als führender Posttechnik-Lieferant, Erfinder der Frankiermaschine und Innovationsführer im Bereich von Kuvertierund Sortieranlagen. Nun hat der Konzern eine Kommunikations-Studie aufgelegt, die Trends und Auswirkungen der Digitalisierung der Kommunikation auf das Verhalten von Verbrauchern analysiert. Grund genug für das Postmaster-Magazin, die Ergebnisse der Studie in Kürze darzustellen und ausführlich mit Marc Hirtz (Bild) zu sprechen. Er ist Geschäftsführer von Pitney Bowes und operativ verantwortlicher Chef des Software-Business in weiten Teilen Europas; es geht um die strategische Positionierung, um die Hilfestellungen, die der Weltkonzern seinen Kunden jetzt bietet.
Zentrale Ergebnisse der aktuellen Kommunikations- Studie von Pitney Bowes besagen unter anderem, dass drei Viertel der Befragten in Deutschland innerhalb von nur fünf Sekunden entscheiden, ob ein Schreiben, als E-Mail oder Brief, für sie relevant ist, gelöscht oder verworfen werden kann. Das bedeutet für die werbetreibende Wirtschaft: Das Potenzial der Daten sollte besser ausgeschöpft werden! Denn zurzeit verwenden nur 14 Prozent der befragten Unternehmen die Daten ihrer Kunden für eine zielgruppengerechte, personalisierte Ansprache und zur Identifizierung und Nutzung neuer Marktchancen.
Die Umfrage belegt ferner, dass Verbraucher bereit sind, einige persönliche Daten preis zu geben, wenn daraus ein zielgerichteter Kommunikationsansatz folgt. Die Hälfte der befragten Deutschen würde zum Beispiel Informationen über Interessen, den Wohnort oder weitere Familienmitglieder im Haushalt preisgeben, wenn sie im Gegenzug individueller angesprochen würden. Für die Hälfte der befragten Unternehmen in Deutschland liegt die Zukunft vor allem im Bereich personalisierter Video-Kommunikation.
Bemerkenswert sind auch die Ergebnisse mit Blick auf die Nutzung mobiler Technologien: So empfinden es 74 Prozent der Befragten als unhöflich, in Besprechungen und Meetings E-Mails abzurufen, aber 28 Prozent tun es dennoch. 78 Prozent der Befragten stören sich an Telefonaten in der Öffentlichkeit, 39 Prozent gaben allerdings zu, selbst im öffentlichen Raum zu telefonieren. Und ganze 82 Prozent lehnen es ab, Textnachrichten wie SMS oder WhatsApp im Rahmen von Geschäftsessen abzurufen – 26 Prozent machen es dennoch. Die Umfrage wurde im Mai 2016 von Coleman Parkes Research in Deutschland, Frankreich und Großbritannien durchgeführt.
Es wurden 234 Unternehmen (davon 80 in Deutschland) sowie 3256 Verbraucher (davon 1028 in Deutschland) befragt. Dazu haben wir Fragen an den Pitney-Bowes-Chef Marc Hirtz.
Postmaster-Magazin: Die jetzt aufgelegte Studie bestätigt bekannte Trends der aktuellen Kommunikationsforschung. Insofern verwundern die Ergebnisse nicht. Warum wurde die Studie aufgelegt und was folgern Sie aus den Befragungsergebnissen?
Hirtz: „Seit 20 Jahren ist Pitney Bowes im Bereich der digitalen Kanäle aktiv und bedient mittlerweile alle Kanäle, die eine Relevanz im Rahmen der Kundenkommunikation haben. Die Stichworte heißen hier Big Data und digitale Transformation. Hier unterscheiden wir drei entscheidende Kompetenzbereiche: Identifizierung, Lokalisierung und Kommunikation.
Identifizierung bedeutet, durch Ansammlung, Anreicherung und Auswertung der Daten eine ganzheitliche Sicht auf die Kunden zu ermöglichen. Bei der Lokalisierung spielt der Ortsbezug eine Rolle, denn jeder Kontakt hat auch eine Ortskomponente, die wiederum Schlüsse über den Kontext zulässt, in dem sich ein Kunde gerade befindet. Ein Bereich, in dem Pitney Bowes traditionell sehr stark ist. Bei der Kommunikation schließlich geht es um die Übersetzung dieser Daten in entsprechende Botschaften für eine personalisierte Ansprache, die über den jeweils bevorzugten Kanal zur Verfügung gestellt werden.
Wir wollen deshalb mit der Studie das Bewusstsein für Ort, Zeitpunkt und Qualität der Kundenansprache schärfen und unsere Kunden in die Lage versetzen, das Kommunikationsbedürfnis ihrer Kunden zu verstehen und an den entsprechenden Touchpoints richtig zu bedienen.“
Postmaster-Magazin: Was folgern Sie aus den Befragungsergebnissen?
Hirtz: „Generell unterscheiden wir zwischen Outbound- und Inboundkommunikation. Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Kanal Telefon für Outbound-Marketingansprachen, also Anrufe beim Kunden, nicht besonders eignet und von vielen Konsumenten als störend und aufdringlich empfunden wird.
Andererseits nutzen die Befragten das Telefon für die Inboundkommunikation sehr häufig, um eigene Informationsbedürfnisse zu befriedigen. Von der Kostenseite her betrachtet sind die eingehenden Telefonate natürlich sehr viel teurer als Self-Service-Angebote.
Es gibt aber keine allgemeingültige Lösung, sondern man muss branchen- und unternehmensabhängig entscheiden und viele weitere Aspekte wie beispielsweise das Alter der Zielgruppe bei der Wahl des geeigneten Kommunikationskanals berücksichtigen.
Außerdem sollten Unternehmen zunächst einmal eine Bestandsanalyse durchführen, wie bisher mit den Kunden kommuniziert wird und wie künftig idealerweise kommuniziert werden sollte, um ein ganzheitliches Kundenerlebnis schaffen zu können. Medienbrüche müssen vermieden werden.
War die digitale Transformation von den Unternehmen bis vor einigen Jahren noch von dem Gedanken getrieben, Kosten zu sparen, so wird sie heute zunehmend dazu genutzt, Bedürfnisse durch die Kundenbrille zu betrachten und entsprechende Lösungen anzubieten. Im Ergebnis steht eine optimierte Kundenkommunikation. Technische Hürden gibt es nicht mehr.“
Postmaster-Magazin: Als Ergebnis der Studien wird unter anderem empfohlen, das Potenzial der Daten besser auszuschöpfen, um zu einer personalisierten, individualisierten Ansprache zu gelangen.
Hirtz: „Wir müssen auf der Datenseite starten. Viele Unternehmen haben bereits heute geeignetes Datenmaterial, das an verschiedenen Stellen liegt, wie zum Beispiel im Billing- oder CRM-System oder im Kampagnenmanagement, und dieses muss zunächst einmal nutzbar gemacht werden.
Werden zusätzliche Daten benötigt, müssen diese intelligent und sensibel erhoben werden, also eventuell kontextbezogen bei der Abfrage weiterer Daten bei einem anderen Touchpoint. Wenn man es richtig anstellt, geben Kunden viele Informationen bereitwillig preis.
Statistische Daten etwa zum durchschnittlichen Haushaltseinkommen, der Kaufkraft eines Haushalts oder bestimmter Einkaufs- und Markenpräferenz können für kleinteilige Adressbereiche zusätzlich erworben werden und das intern vorhandene Wissen sinnvoll ergänzen. Wir bieten unseren Kunden hier den weltweit umfassendsten Katalog relevanter Daten an.“
Postmaster-Magazin: Verlagert Pitney Bowes seinen Schwerpunkt vom Posttechnikhersteller zum Beratungsunternehmen? Und wenn ja: Wie unterstützt Pitney Bowes seine Kunden auf dem Weg, zu riesigen Datenspeichern und Datenverwertern zu werden?
Hirtz: „Im Prinzip gehen wir von zwei Seiten vor: Wir hören unseren Kunden zu und sehen es als unsere Herausforderung an, mit den richtigen Gesprächspartnern in den Dialog zu kommen. Für Banken, Versicherungen und Telekommunikationsunternehmen sind wir aufgrund unseres Branchen-Know-hows heute ein geschätzter Gesprächspartner.
Wir gehen die Aufgabe aber auch mit Partnern wie Consultingfirmen oder Systemintegratoren an, die über eigene Kontakte und umfassendes Branchenwissen verfügen. Wir haben zusätzlich konkrete Anwendungen und Lösungen im Gepäck, die Unternehmen zeigen, wie sie ihre Kunden besser erreichen und ansprechen können.
Wir gehen also in den konkreten Schmerz rein. Wichtig ist vor allem: Wissen über den Kunden, Integration der Daten, Ableitung einer Kommunikations- und Kontaktstrategie, die sich an den Lebenszyklusphasen orientiert.“
Postmaster-Magazin: Man kann aus der Studie folgern, dass die papiergebundene Kommunikation in gewissen Bereichen, also dort, wo es um Verbindlichkeit, offizielle Anlässe usw. geht, immer noch eine hohe Bedeutung hat. Ist das korrekt?
Hirtz: „Absolut. Fakt ist, dass das Volumen an Briefen stabil geblieben ist, die Qualität der Briefe – Stichwort Farbdruck, Beilagen und Individualisierung – jedoch steigt. Im Vorfeld betreibe ich für die passende Ansprache denselben Aufwand, und wir glauben ganz fest daran, dass es Kontaktpunkte gibt, wo der Brief das beste Mittel ist und bleibt. Kunden entscheiden heute selbst, wann sie schriftlich informiert werden wollen.
Die Aufmerksamkeit der gedruckten Kommunikation in Verbindung mit der nötigen Individualisierung ist nach wie vor unschlagbar. Je nach Angebot eignen sich verschiedene Kommunikationskanäle zur Ansprache. Brief und auch andere Medien greifen unter bestimmten Bedingungen hervorragend ineinander.“
Postmaster-Magazin: Ist Pitney Bowes auf dem Weg zu einem Datenintelligenz- Berater?
Hirtz: „Wir erweitern unser Angebot. In keiner Weise machen wir weniger in den Bereichen Postdienstleistung, Briefhandling, Kuvertieren und Frankieren, denn auch hier investieren wir in neue Lösungen, die leistungsfähiger und mit der digitalen Welt stärker verwoben sind.
Aber wir bauen unsere Kompetenz im Bereich der Daten- und Kommunikationslösungen immer weiter aus und entwickeln Angebote, die Unternehmen dabei helfen, in ihrer Kundenansprache erfolgreicher agieren zu können.“
Postmaster-Magazin: Von einem Weltmarktführer erwartet die Branche viel. Was sind Ihre Vorschläge für die Poststellenverantwortlichen in den Unternehmen Ihrer Kunden?
Hirtz: „Das ist eine sehr gute Frage. Die Poststellenverantwortlichen von heute müssen schauen, dass sie auch weiterhin mit am Tisch sitzen! Ihre klassischen Leistungen, also die Bearbeitung des Posteingangs ebenso wie des Postausgangs, sind unbestritten und behalten auch weiterhin ihre Gültigkeit.
Es kommen aber immer mehr Aufgaben hinzu, die ein Unternehmen heute kommunikativ bewältigen muss, um seine Kunden adäquat bedienen zu können. Es geht also nicht mehr nur darum, welche Beilage in welches Schreiben gehört. Das macht die Maschine automatisch.
Vielmehr müssen sie Gespräche mit ihren Kollegen aus Marketing, Kundenservice usw. führen und Lösungen für den passenden Kommunikations- Mix anbieten. Also individualisierte Botschaften auf dem jeweils richtigen Kanal zur richtigen Zeit zum Empfänger zu transportieren, physisch oder digital.
Ihre Aufgaben weiten sich also aus und verlagern sich ein Stück weit in eine Richtung, in der sie mit Expertenwissen und operativen, praktikablen Umsetzungsvorschlägen punkten können. Hier helfen wir mit allen relevanten Informationen.“
Postmaster-Magazin: Es ist entscheidend, einen Unterschied zu machen, etwas anders oder besser zu machen als andere. Was ist das Geheimnis von Pitney?
Hirtz: „Der entscheidende Unterschied ist, dass Pitney Bowes der einzige Anbieter im Markt ist, der alle Anforderungen an moderne Kommunikation lösen kann – von hochverfügbaren Produktionssystemen angefangen bis hin zur immer wichtiger werdenden Datenintelligenz.
Wir haben uns immer frühzeitig mit den aktuellen Themen beschäftigt und uns mittlerweile ein Know-how aufgebaut, dass uns in der Breite und Tiefe dazu befähigt, alle denkbaren Aufgaben im Kommunikations-Mix unserer Kunden lösen und bedienen zu können. Darauf sind wir schon ein wenig stolz.“
Postmaster-Magazin: Herr Hirtz, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
[Artikel im postmaster magazin 10/2016]